Montag, Juli 24, 2006

Der Verdacht

In der Schule hatte Gregor von Kommissar Bärlach gelesen, einem Berner Kommissär, wie er in dem Roman ständig genannt wurde. Und ob seiner persönlichen Situation fühlte sich Gregor irgendwie stark an betreffendes Buch erinnert. Es galt aufzudecken, ob eine bestimmte Person nicht in Wahrheit jemand anderes war. Jemand, den er, anders als bei Dürrenmatt, aus seiner Vergangenheit kannte. Dementsprechend handelte es sich nicht um einen deutschen KZ-Arzt, der eine neue Identität angenommen hatte, sondern um eine Ex-Freundin, die möglicherweise über das Internet wieder seine Nähe suchte. Und die medizinische Richtung passte auch schon mal.
Die Beziehung zu Stefanie resultierte aus einem Absturz. Doch was an dem Abend noch ganz schön begann, entwickelte sich aus Gregors Sicht bald zu einem Problem. Als Kumpel war das Mädchen eigentlich ganz in Ordnung gewesen und vielleicht war es auch nur der Umstand gewesen, dass er zielstrebig auf die Volljährigkeit zusteuerte und immer noch keine Freundin aufweisen konnte, der ihn dazu trieb, aus diesem Abend eine Beziehung aufbauen zu wollen. Sie entsprach eigentlich nicht wirklich seinen ästhetischen Idealen, dazu war sie ihm schon mal ein wenig zu füllig. Außerdem hatten Stefanie und er auch kaum sich deckende Interessen. Und auch der Ansporn, endlich eine Freundin zu haben und sich sexuell ein wenig die Hörner abzustoßen, erstarb bald. Dass die Verbindung schlussendlich doch knappe zwei Monate dauerte, lag einzig und allein daran, dass Gregor über die Hälfte der Zeit nicht wusste, wie er mit ihr Schluss machen sollte.
Laut Merle, eine gemeinsamen Bekannten von Gregor und Stefanie, sollte sie immer noch irgendwie an ihm hängen, obwohl ihre Beziehung schon fast zehn Jahre her war. Stefanie sollte damals sogar geheult haben, als die erfahren hatte, dass Gregor einige Monate nach dem Ende der gemeinsamen Beziehung eine neue Freundin hatte – und dass, obwohl sie zu dem Zeitpunkt auch schon wieder in einer neuen (alten) Beziehung steckte. Vor ein paar Jahren hatten sie zwischenzeitlich, zumindest von seiner Seite aus auf rein freundschaftlicher Ebene, mal wieder ein bisschen was gemeinsam unternommen. Wobei Gregor sie auch eher ein wenig ausgenutzt hatte, als Notbehelf, da seine ganzen Freunde wegen Studium und Ähnlichem fortgezogen waren. Doch nach kurzer Zeit war diese Phase dann auch rasch wieder beendet. Da war es dann auch ganz hilfreich für ihn, dass ihre Telefonnummern zusammen mit seinem kaputten Handy verloren gingen. Über Merle, die schon seit einer gefühlten Ewigkeit mit Gregors bestem Freund zusammen war, hörte er zwar immer wieder mal, wie es Stefanie so erging, doch sein Interesse daran war im besten Falle auch nur marginal.
Und dann hatte Gregor vor ein paar Monaten im Internet Paula kennen gelernt. Irgendwie war sie zufällig auf seiner Homepage gelandet und hängen geblieben. In der Zwischenzeit hatte sich daraus eine mitunter mehrstündige tägliche Unterhaltung per Chat ergeben. Gelegentlich hatte er sich zwar bei einigen Aussagen Paulas an Stefanie erinnert gefühlt, doch seine paranoide Idee, dass beide identisch seien, fand nie wirklich einen festen Nährboden, da Gregor über seine Homepage nachvollziehen konnte, aus welcher Stadt Paula sich meldete und Stefanie laute Merles Informationen sich in einer anderen Stadt aufhalten sollte.
Er hatte diese Theorie eigentlich schon wieder völlig vergessen, als Merle bei einem Grillabend mal wieder ein wenig Stefanie erzählte. Mit jeden Satz wurde sein Gesicht fahler und in seinem eigentlich ordentlich mit Grillgut gefüllten Magen machte sich ein flaues Gefühl breit. Stefanie arbeite zwar für ein über die Landesgrenzen hinaus bekanntes Unternehmen, doch keineswegs in der Stadt, die landläufig mit dieser Firma in Verbindung gebracht wurde. Sie war nach erfolgreich absolviertem Studium mittlerweile am Promovieren – in der gleichen Stadt, aus der sich auch Paula meldete. Und das seit einem Zeitpunkt, als Gregor und Paula sich noch gar keinen Kontakt hatten. Doch die Stadt allein war nicht die einzige Übereinstimmung. Beide waren an der gleichen Institution beschäftigt und dazu auch noch im gleichen Bereich, der Medikamentenforschung tätig. Und neben diesen Gemeinsamkeiten erzählte Merle noch von weiteren Dingen, die ihm so oder zumindest ähnlich aus den Unterhaltungen mit Paula bekannt vorkamen. Beide hatten sich im Frühjahr tätowieren lassen, beide hatten ein Faible für Piercings und mochten die gleichen Klamottenmarken.
Zu dem Zeitpunkt war Gregor dann schon ordentlich in dich zusammengesackt. Zwar gab es hier und dort Unterschiede, doch die großen Übereinstimmungen gaben ihm zu denken. Konnte das alles noch purer Zufall sein? Wie unwahrscheinlich konnte so etwas sein? War Paula nur eine Kreation von Stefanies perfidem Hirn? Hatte sie sich Paula ausgedacht, um seine Nähe suchen zu können, weil sie es in ihrer eigentlichen Person nicht sein konnte? Wollte sie ihm vielleicht sogar sein Verhalten ihr gegenüber heimzahlen und kostete dies nun Stück für Stück aus? War sie dazu im Stande?
Da war es auch nicht besonders hilfreich, dass sich Paula in manchen Dingen eher bedeckt gab. Er wusste nicht, wie sie aussah, kannte nicht einmal ihren Nachnamen, geschweige denn ihre Adresse. Und abseits des Internets hatten sie auch noch nicht miteinander kommuniziert. Sollte er mit seiner Theorie richtig liegen, würde das Paulas Zurückhaltung in einigen Punkten erklären und bestimmte Aussagen in ein völlig neues Licht tauchen. Was sollte er noch glauben?
Es musste der Sache auf den Grund gehen, herausfinden, ob er mit seiner Vermutung richtig lag. Doch er konnte sich nicht eben wie der Kommissär im Roman in das betreffende Spital überweisen lassen. Er konnte auch nicht mal eben rüber fahren und vor Ort Nachforschungen anstellen. Denn er wohnte im hohen Norden und sie beziehungsweise beide in einer mitteldeutschen Metropole, einige hundert Kilometer entfernt. Somit durfte sich angesichts der Situation der Beweis respektive der Gegenbeweis als äußerst kompliziert erweisen. Im Endeffekt bleiben ihm aus der Distanz nur zwei Möglichkeiten. Er konnte in die Offensive gehen. Paula mit seinem Verdacht konfrontieren und auf ihre Reaktion darauf achten. Oder er konnte sich still verhalten. Abwarten und, sollten Stefanie und Paula wirklich identisch sein, auf Fehler ihrerseits warten, die sie verrieten. Und vielleicht sogar den Spieß umdrehen.

4 Comments:

Anonymous Anonym said...

geht´s noch????

24/7/06 13:43

 
Blogger Galen said...

Das ist doch eine ganz interessante Geschichte, oder? *g*

25/7/06 12:17

 
Blogger Oles wirre Welt said...

Seltsame Zusammenhänge durchschwubbern den Äther. Wenn es stimmt, ist es irre, wenn nicht, immer noch ne sehr gute Geschichte!

25/7/06 12:36

 
Anonymous Anonym said...

Die Geschichte ist toll, sie ist mir grad weider eingefallen und da habe ich mal deine Seite besucht und dachte mir guck mal hin wie es ausgegangen ist.

13/9/06 21:30

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home