Dienstag, Januar 31, 2006

Mein Brotmesser - Teil 2 (von 2)

Das laute Klopfen an seiner Zimmertür übertönte die Musik und ließ ihn aufschrecken. Er musste wohl irgendwie eingenickt sein, während HIM als Endlosschleife lief. Sein Mitbewohner steckte seinen Kopf zu Tür hinein. Dass er noch hier sei, wunderte sich dieser, er hätte doch zu seiner Freundin wollen. Aber wo er noch hier sei, ob er etwas mitessen wolle, sein Mitbewohner wollte jetzt was kochen. Er hatte seinen Appetit immer noch nicht wiedergefunden, und so murmelte er nur etwas davon, dass es ihm nicht gut ginge und er auch keinen Hunger hätte.
Er stand auf und stellte die Musik aus. Er hatte sich gerade daran erinnert, dass er ihr die CD mal kopiert hatte und es ihr gefiel. Also doch nicht ganz das Passende für diesen Tag. Unentschlossen stand er da und sah sich die Vielfalt seiner CDs an, Radio entfiel mit seiner Fülle an Liebesschnulzen ohnehin. Nach Emotionalem war ihm definitiv nicht, keine Lieder über Liebe oder Herzschmerz. Das spürte er selbst und brauchte es nicht auch noch vom Silberling zu hören, doch irgendwas musste seine Gedanken in sich aufsaugen und nicht zur Entfaltung kommen lassen.
Er besann sich der Metalphase seines Musikgeschmackes in der Endzeit seiner Jugend. Fear Factory dürfte geeignet sein, oder noch besser Machine Head. "Let freedom ring with a shotgun blast" – das war genau das, wonach ihm der Sinn stand. Aggressive, gewaltvolle Musik würde die Gedanken an sie schon aus seinem Hirn treiben. Er gab seiner Wut den Vorrang, tobte sich aus zur Musik, bis er nicht mehr konnte. Total erschöpft legte er sich auf sein Bett. Die nassen Stellen, die seine Tränen auf der Decke hinterlassen hatten, waren getrocknet. Er beschloss zu schlafen, er hatte ohnehin nichts Besseres zu tun.
***
Es war dunkel draußen, als er wieder aufwachte. Er tastete nach dem Schalter bei seinem Bett und knipste das Licht an. Sein leicht verstörter Blick wanderte durch das Zimmer und blieb am Telefon hängen. Seine Gedanken wurden allmählich wieder klarer. Sollte er sie anrufen? Doch er wusste nicht, was er ihr so am Telefon sagen sollte. Irgendwie hatte er das gleiche Problem wie sie, Schreiben fiel ihm eindeutig leichter. Verdammt, jetzt zeigte er auch Verständnis für sie, wenn auch nur für ihre Wahl der Waffen. Und wenn er nur schwieg, wenn sie abnahm? Doch wenn sie gar nicht dran war, sondern jemand anderes? Und irgendwie war es auch nicht seine Art. Er würde ihr auch schreiben, auch wenn es so etwas dauerte, bis sie seine Reaktion erhielt. Er schnappte sich seinen Briefblock vom Schreibtisch, griff sich einen Kugelschreiber und legte sich auf das Bett. Irgendwie war es doch der beste Ort, um etwas zu schreiben.
Ihr Brief lag neben dem Block, griffbereit, falls er etwas brauchte, wenn ihm die Gedanken ausgingen oder er ihr ihre eigenen Worte vorhalten wollte. Und so kotze er sich im übertragenen Sinne aus, übertrug sein Inneres auf das Papier. Klagte darüber, wie beschissen das Leben doch zu ihm sei und ihr Schreiben und sie nun auch keine Ausnahme mehr bildeten. Erzählte Dinge, die er ihr vorher nicht erzählen konnte, weil er Angst hatte, dass es sie schockieren würde. Doch nun war alles egal. Sollte sie es doch nun erfahren, sollte sie mitbekommen, was sie angerichtet hatte. Er machte sich nicht großartig die Mühe, Fehler sorgfältig zu korrigieren, kümmerte sich nicht darum, dass die eine oder andere Träne auf das Papier fiel. Es war weit nach Mitternacht, als er eine beachtliche Anzahl an Seiten in einen Umschlag steckte und diesen mit ihrer Adresse versah. Morgen würde er ihn einwerfen.
Sein Magen knurrte, kein Wunder, wo er den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. Das Licht im Flur war erloschen, kein Laut war aus den anderen Zimmern zu hören. Sein Mitbewohner würde wohl unterwegs sein, mit Freunden in einer Kneipe oder so. Er knipste das Licht in der Küche an. Ihm war nicht danach, noch etwas zu kochen und so suchte er sich ein paar Sachen zusammen. Brot, Marmelade, Käse, sein Frühstücksbrett, Omas altes Brotmesser. Sein Blick fiel auf den Rest der Post vom Morgen. Ein weiterer Brief für ihn war dabei, seine Handyrechnung. Er nahm das Brotmesser und öffnete den Umschlag. Der Betrag war mal wieder viel zu hoch für seinen Geschmack.
Ende

9 Comments:

Anonymous Anonym said...

ennsen wie ist das nun mit mittowoch?
erst halle, dann laufen oder nur laufen?

31/1/06 14:12

 
Anonymous Anonym said...

hi, bin arg im Stress, falls du dich gefragt hast, wo ich bin. wenn nicht, dann weisst du es jetzt trotzdem. Hab noch nicht mal gelesen, was seit letzte Woche dazu kam. Mach ich, sobald ich zeit habe...
grüße

31/1/06 14:32

 
Blogger Galen said...

@Ottje und Guido: Es ist immer noch das gültig, was ich als letztes gesagt habe: erst Halle, dann Laufen. Der Platz wird noch geschont - oberflächlich mag es zwar gut aussehen, doch eigentlich schadet man dem Platz doch noch recht stark.

@Frankfurt: Hab mich schon ein wenig gewundert. Hatte wohl gesehen, dass du mal kurz auf der Seite warst, aber keinen Kommentar hinterlassen hast.

1/2/06 12:27

 
Anonymous Anonym said...

ja, im Moment ein wenig viel zu tun. Schau zwar von Zeit zu Zeit mal rein, schaff es aber nicht, mal alles zu lesen, hab noch immer nicht alles gelesen! Werd aber nachholen, und dann auch wieder kommunikativer sein!

1/2/06 12:50

 
Blogger Galen said...

Ich lass dir jetzt auch extra ein wenig mehr Zeit (siehe aktuellen Eintrag)... *g*

1/2/06 13:03

 
Anonymous Anonym said...

dann komm ich nur halle

1/2/06 14:03

 
Anonymous Anonym said...

So, jetzt kann ich ja wieder anfange, überall meine Senf zuzugeben. Wieviel autobiographisches ist denn in der Story drin (du hattest doch gesagt, dass dich eine ex dazu inspiriert hatte)? Wenn es eher mehr wäre, würdest du ja gerade zu öffentlich zugeben, dass auch Männer so richtig leiden, wenn Beziehungen in die Brüche gehen. Sowas, ein Mann der Gefühle zeigt (das hatte ich auch schon öfter gedacht bei den Geschichten über verpasste Gelegenheiten). Wie sympatisch! Auf jeden Fall sehr traurig. Allerdings bin ich noch immer ein verfechter der "schlussmachen muss persönlich sein" Doktrin!

2/2/06 13:38

 
Blogger Galen said...

Eigentlich ziemlich viel, aber natürlich auch nicht alles. Wäre an dieser Stelle aber wohl zu ausführlich, sich haarklein mit allem auseinanderzusetzen, was jetzt autobiographisch ist und was nicht. Und heute hab ich ohnehin keine Zeit mehr, wenn ich jetzt nicht gleich zur Bushaltestelle laufe, verpasse ich zum dritten Mal dieses Jahr meinen Zug und darf hier noch zwei Stunden rumhängen. Vielleicht sag ich morgen noch ein bisschen mehr.

2/2/06 17:06

 
Blogger Galen said...

Nüchtern betrachtet ist ziemlich alles autobiographisch, nur das Brotmesser ist Fiktion (habe nie eines von ihr bekommen bzw. übernommen). Und ich hab den Brief nicht selbst aus dem Postkasten geholt, sondern von meinem Vater (gewissermaßen der Hiob dieser Geschichte) präsentiert bekommen. Ich weiß auch nicht mehr, was für Musik ich damals gehört habe und ob ich gepennt habe oder so, ich hab auf jeden Fall den ganzen Tag in meinem Zimmer verbracht. An meine Gedankenspiele während der Zeit kann ich mich verständlicherweise nach etwa 4 2/3 Jahren auch nicht mehr erinnern, ein paar der Gedanken dürften mir so oder so ähnlich jedoch auch wohl in den Kopf gekommen sein. Irgendwann hab ich dann auch angefangen, einen Antwortbrief zu schreiben. Nur das Ende ist dann reine Fiktion - ich hab mich definitiv nicht mehr hingesetzt und hab was gegessen und eine Telefonrechnung hatte ich mir auch nicht mehr angesehen, damals hatte ich nämlich noch kein Handy und für's Festnetz ist mein Vater der Empfänger, der so ein bisschen die Person des Mitbewohners ist, auch wenn er abends wohl nicht mehr weg war.

Eigentlich könnte ich ja noch ein, zwei Fortsetzungen schreiben, da die Geschichte hier so eigentlich noch nicht zuende ist - wenig später hatten wir uns noch mal wieder getroffen, daraufhin auf zwei zeitlich eng zusammenliegenden Cons nochmal, woraufhin in ihr der Gedanke aufkeimte, es nochmal miteinander versuchen zu können. Am Ende (etwa drei Monate nach dieser Geschichte) war der Stand allerdings mehr oder weniger der gleiche wie hier in der Geschichte - nur dass sie es diesmal dann persönlich von Angesicht zu Angesicht gesagt hat.

Und ja, ich habe geheult, beide Male, und nicht zu wenig - eigentlich waren wir DAS harmonischste Paar in meinem Bekanntenkreis, wo jeder gedacht hatte, wir würden eine Ewigkeit zusammenbleiben - und dann kommt aus heiterem Himmel so ein Brief. Aus, vorbei, nach 599 Tagen (meiner Rechnung nach bis zum Tag, als ich den Brief bekam - am 16.5.2001), während andere Paare, die sich zum Teil ständig stritten, noch eine ganze Weile zusammenblieben.
Sicher können Männer in solchen Situationen auch richtig leiden, aber in der Regel für sich selbst. In der Öffentlichkeit zeige ich meine Gefühle auch nicht wirklich, da gehöre ich doch auch in die Fischmobalbumtitel-Schublade.

Lustig ist ja noch anzumerken, da ich oben das Datum aufgeführt habe, an dem es für mich Schluss war, dass meine erste Beziehung fast auf den Tag genau (zwei Tage später) endete, an dem ich ein Jahr später die nächste begann (die, um deren Ende es hier geht) und ebenfalls fast auf den Tag genau (ein Tag vorher) drei Jahre nach deren Ende, wieder die nächste. Dieser Rachnung nach zufolge müsste meine nächste Beziehung erst in etwa 4 1/2 Jahren beginnen...

2/2/06 19:02

 

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