Die Welt zu Gast bei Klappspaten
Freitag war ich in Hamburg, um mir die beiden Viertelfinalpartien an dem Tag live auf dem Fanfest anzuschauen. Doch im Gegensatz zur Woche vorher, als ich an dem Freitag das letzte Gruppenspiel der Gruppe G auf dem Fanfest in Hannover gesehen hatte, bereue ich den Besuch im Nachhinein. Vielleicht mag es auch daran liegen, dass ich allein dort war, vielleicht auch daran, dass meine favorisierte Mannschaft im ersten Spiel nicht gewonne hatte. Ganz sicher lag es aber auch an den ganzen Klappspaten und Vollpfosten, die unter den 70.000 Zuschauern auf dem Heiligengeistfeld in viel zu hoher Konzentration angeschwemmt worden waren. Aber was hatte ich eigentlich erwartet?
Zunächst fing das ganze recht lustig an - okay, auch vor dem Spiel ließen sich einige Leute zu "Scheiß Argentinien"-Rufen hinreißen, wenn sie mich (oder andere) im Argentinien-Shirt sahen, andere fanden es aber auch ganz lustig, wenn ich zur Begründung für mein Auftreten sagte: "Irgendjemand muss ja auch für den Underdog sein." Auf dem Fanfest war es zunächst aber auch ganz ruhig - okay, den sehr stark nach Rechtsradikalen aussehenden Leuten an der einen Bierbude bin ich dann doch lieber ausgewichen...
Interessant waren dann auch die beiden Argentinier, die mich fragten, ob ich denn auch aus Argentinien sei und völlig verwundert dreinschauten, als ich erklärte, dass ich Deutscher sei.
Während des Spiels war es dann vor allem eine recht angespannte Atmosphäre. Argentinien spielte so, wie es die Deutschen eigentlich hätten tun müssen und gingen dann auch verdient in Front. Was Herrn Pekerman dann allerdings zu seinen Auswechslungen getrieben hatte, war absolut unnachvollziehbar. Viel zu früh nahm er seinen Kreativspieler raus und ersetzte ihn dann vor allem nicht adäquat (Messi!). So schafte dann dieser blöde Bremer (sowieso, dass die in Hamburg alle, auch HSV-Fans, diesen Bremern zujubeln...) noch den Ausgleich und der Rest der Geschichte ist auch bekannt. Da obenerwähnter Bremer auch noch den argentinischen Elfmetertöter aus dem Spiel beförderte, hatte Deutschland dann mal wieder kein Problem, im Elfmeterschießen zu gewinnen (was einigen argentinischen Spielern ein wenig missfiel: Cufre, Rodriguez) - und damit ging sie dann auch los, die Zeit, die ich dort auf dem Fanfest absolut nicht mochte.
Um mich herum waren natürlich jede Menge (nur?) Deutsche und nach Lehmanns zweiten gehaltenen Elfmeter gab's natürlich auch kein Halten mehr. Einige Leute vor mir versammelten sich zur Jubeltraube und hüpften hin und her und trafen dabei auch mich ein paar Mal. Was nichts verwerfliches gewesen wäre, wenn nicht einer der Typen immer wieder über seine Schulter geguckt hätte und mich dann immer wieder absichtlich angesprungen hätte... Während die meisten Leute entweder aufbauende Schulterklopfer verteilten oder, mal harmlos, mal deutlich aggressiv, den Klassiker "Ihr könnt nach Hause fahren" anstimmten, waren andere Leute da schon sehr unter der Gürtellinie, da sie mich dann auch noch für einen Ausländer hielten und dachten, ich würde nichts verstehen (auf die Spitze getrieben, allerdings nur im Rahmen eines normalen Gesprächs, durch einen Typen, der erstmal zwei Minuten auf Englisch mit mir gequatscht hat, bevor ich ihm erklärte, dass ich ja Deutscher sei...). Als Sieger auch noch nachtreten zu müssen ist ja so cool und bei Leuten wie euch macht es echt keinen Spaß, Deutscher zu sein...
Beim nachfolgenden Spiel war dann fast schon tote Hose - vielleicht noch knapp 20.000 Zuschauer. Vor der Bühne versammelten sich einige Italiener und Ukrainer, allerdings kam entweder keine wirkliche Stimmung auf oder sie wurde durch den Kommentar aus den Boxen einfach übertönt. Nach dem 1:0 für Italien hatte ich dann ein langweiliges Spiel erwartet, was es bis zu Halbzeit ja auch war, dann drehten die Ukrainer auf (hat der Kommentator in dem Zusammenhang eigentlich die altbekannten Phrasen: "da ist der Trainer in der Halbzeit laut geworden" oder "Gardinenpredigt" oder ähnliches gefallen?) - und Italien schoss die Tore. Nach dem 3:0 verließen schon ziemlich viele Leute das Fanfest, so dass am Ende nicht mehr wirklich viel los war. Hannover war da, nichtzuletzt dank der frenetischen Südkoreaner doch deutlich interessanter...